Exkursionen

Israelreise des Deutsch-Israelischen Freundeskreises Neuwied im Mai 2023

Vom 1.-10. Mai dieses Jahres fand die schon seit langem geplante Israelreise des Deutsch- Israelischen Freundeskreises Neuwied statt. Unter der Leitung von Pfarrer Werner Zupp, dem Vorsitzenden des DIF und Beate Neitzert, die mit ihrem Reisebüro Mosaik Reisen die Reise organisiert hatte, erlebten 30 Teilnehmer eine spannende Reise.

Die ersten 5 Tage verbrachte die Gruppe am See Genezareth in der Hotelanlage des Kibbuz En Gev, direkt am See gelegen. Von hier aus startete man zu den verschiedenen Zielen im Norden des Landes. So begann gleich der erste Tag in den frühen Morgenstunden mit einer Bootsfahrt auf dem See, eine unvergessliche Stimmung. Im Anschluss fuhr man auf den Berg der Seligpreisungen, wanderte von dort über die Felder hinunter zur Brotvermehrungskapelle in Tabgha und fuhr anschließend weiter nach Kapernaum.

Nazareth mit der Verkündigungsbasilika, eine Fahrt in das Quellgebiet des Dan und zu den Golanhöhen standen ebenso auf dem Programm wie Haifa und Akko. Beim Besuch in der christlichen Siedlung Nes Amimm, die sich seit mehr als 50 Jahren um die Verständigung zwischen Juden und Christen bemüht, gab es ein Gespräch mit den neuen Leiter der Einrichtung, der uns u.a. schilderte, wie schwierig die Arbeit nach Corona geworden ist.

Auf dem Ölberg
Aufenthalt auf dem Ölberg bei Jerusalem

Der zweite Teil der Reise führte die Gruppe nach Jerusalem: Die Via Dolorosa, der Besuch auf dem Tempelberg und an der Klagemauer waren beeindruckend. Der Besuch eines Sabbat-Gottesdienstes in der großen Jerusalemer Synagoge, sowie am Sonntagmorgen der Gottesdienst in der Ev. Erlöserkirche gaben Einblicke in das gottesdienstliche Leben der großen Religionen in dieser Stadt.

Der Felsendom in Jerusalem
Der Felsendom in Jerusalem
Garten bei Gethsemane
Abendmahl nahe dem Garten Gethsemane

In einem Garten nahe dem Garten Gethsemane feierte die Gruppe dann abschließend auch einen eigenen Abendmahlsgottesdienst. Auf dem Programm standen aber auch Gespräche mit dem evangelischen Propst Joachim Lenz und an den Besuch in der Bethlehemer Geburtskirche schloss sich ein Gespräch mit einer Delegation aus der palästinensischen Stadt Surif an, mit der Neuwied seit einem Jahr eine Projektpartnerschaft unterhält. Bei einem intensiven Austausch wurde deutlich, wie unterschiedlich die Lebensbedingungen in Israel für Israelis und Palästinenser sind.

Aufenthalt in DromHaSharon
Aufenthalt in DromHaSharon

Den Abschluss der Reise bildete ein Besuch in Drom Hasharon, der Partnerstadt Neuwieds.

 

Exkursion zu den Eifelsynagogen

Auf Einladung des DIF fand am 9.4.2011 unter der Leitung von Dr. Jürgen Ries eine Exkursion zu den Eifelsynagogen in Saffig, Polch und Münstermaifeld statt. Dr. Ries informierte in seinem begleitenden Vortrag über Wesen und Architektur der eifelländisch-moselfränkischen Synagogenbauten.
Synagoge Polch: Rosette über dem Eingang

„Im Mittelpunkt unserer heutigen Ganztagsexkursion stehen die Synagogen der ehemaligen jüdischen Gemeinden von Polch und Münstermaifeld sowie unsere heute als einzige in Rheinland-Pfalz wieder von einer jüdischen Gemeinde genutzte alte Synagoge in Saffig. Es handelt sich um drei typische Landsynagogen aus der Mitte der 19. Jahrhunderts, zu denen wir vor Ort Genaueres ausführen. Hier soll zunächst über Wesen und Architektur dieser eifelländisch- moselfränkischen Synagogen Grundsätzliches gesagt werden. Wir wollen aber auch die Menschen, die dort gelebt und gebetet haben, nicht vergessen, so dass spätere Ausführungen den Juden auf dem Lande und ihrer Organisationsform gewidmet sind, den Landjudenschaften, die von ca. 1600 bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts bestanden haben.

Synagogen gehören zu jenen Baugattungen, die sich nicht ohne weiteres begrifflich umgrenzen lassen. Schon ihre dreifache Bestimmung Haus des Lernens, Haus der Zusammenkunft und Haus des Gebets verweist auf die Vielfalt ihres Wesens, ohne damit etwas über die Art ihrer gestalterischen Ausprägung anzudeuten. Die Synagoge ist eher ein geistiges als ein baukünstlerisches Gebilde.

Außenansicht der Synagoge Polch

„Wie ehrfurchtsvoll ist dieser Ort! Das ist nichts anderes als ein Haus Gottes und dies die Pforte des Himmels.“ Diese Worte spricht Ja’akow beim Erwachen aus seinem Traum, in dem auf einer Leiter engelgleiche Wesen vom Himmel hernieder und von der Erde hinaufsteigen. Ja’akow salbt den Stein, auf dem sein Haupt ruhte, und nennt die Stätte Beth EL-Haus G’ttes. So hat im Judentum der Gedanke, Gott ein Heiligtum zu errichten, seinen Ursprung nicht in der Forderung Gottes an den Menschen, sondern im Willen des Menschen selbst. Für die spätere Entwicklung der Synagoge ist dieser gedankliche Ansatz bedeutend.

Der vielgerühmte Salomonische Tempel war keinesfalls die architektonisch angemessene Antwort auf den Monotheismus, sondern eine Übergangs –und Kompromissform zwischen sinnlichem, von Monolatrismus geprägtem Götzendienst der damaligen kanaanäisch, ugaritisch und phönizischen Umgebung und dem Glauben an einen unsichtbaren Gott deuteronomistischer judäischer Prägung. Es bedurfte erst der Zerstörung dieses Tempels und der Verschleppung der Juden nach Babylon, um einer dem Monotheismus angemessenen Kultstätte zum Durchbruch zu verhelfen: der Synagoge ohne Priester, in der jeder Betende in unmittelbarer Beziehung zu G’tt stand, wo anstelle des Altars die erhöhte Predigerestrade, anstelle des blutigen Opfers das unblutige Gebet, anstelle der Bundeslade der Toraschrein mit den biblischen Schriftrollen trat. G’ttes Gegenwart, seine Schechinah, wird jetzt rein geistig erfasst. ER ist überall und doch nirgends stofflich zu fassen; die Gläubigen sammeln sich um einen geometrischen Mittelpunkt des Raumes, um das gesprochene Wort zu lesen und zu hören, geistiges und örtliches Zentrum - Omphalos - Nabel der Welt.

Deckengewölbe in der Synagoge in Polch

Im Heiligen Land hat sich nach der Rückkehr aus dem Exil und auch später weder eine eigenständige Architektur noch ein besonderer Synagogenbaustil entwickelt. Man baute im jeweils herrschenden Stil nach dem Zeitgeschmack, auch später in den Gastländern der Zerstreuung. So kam in diesen Zeiten nie das Gefühl auf, eine ausgegrenzte Minderheit zu sein.

Das allerdings änderte sich zur Zeit der Kreuzzüge und Judenverfolgungen im Europäischen Mittelalter völlig. Mit zunehmender Erniedrigung und Isolation wurden Betstuben und Synagogen - abgesehen von einzelnen herausragenden Beispielen - in jüdische Privathäuser, in Hinterhöfe oder/und an den Ortsrand der Siedlungen verdrängt, wenn nicht überhaupt die gesamte Judenschaft in einem Ghetto eingepfercht kontrolliert gehalten wurde.

Dies blieb die Lage bis zu Beginn des 19. Jahrhundert als die ersten Emanzipationsbestrebungen erstarkten und gleichzeitig eine Zeit neu erwachenden und zunehmenden Nationalbewusstseins und der Besinnung auf die abend– und morgenländische Geschichte begann, die auch vor den Juden nicht halt machte.

Eingang der Synagoge in Münstermaifeld

Auf der einen Seite wurde der Synagogenbau in Dresden 1840 durch Gottfried Semper richtungsweisend. Er kreierte einen neuromanischen, an Basiliken der klassischen Zeit erinnernden Stil. Des Weiteren wurden von Edwin Oppler aus Hannover ägyptisierende, in neoislamischem und maurischem Mujedarstil gehaltene Gotteshäuser gebaut, die aufgrund ihrer exotischen Ausstrahlung vielfach bis in die Zeit vor der Schoah die Städtebilder prägten. Wir werden heute Landsynagogen in einem neoromanischem und einem sogenannten Mischstil besichtigen.

Über das Aussehen der Bethäuser mittelalterlicher Gemeinden unserer Region wissen wir so gut wie nichts. Wir haben keine Kenntnis darüber, wie die Synagogen von Andernach, Bacharach, Bernkastel, Bingen und Boppard, von Koblenz und Kreuznach, Linz, Oberwesel und Wittlich ausgesehen haben. Eine dichtere Überlieferung setzt mit barocken und klassizistischen Bauten ein. In der kurtrierischen Judenverordnung von 1723 heißt es: Häuser der Juden und ihre Schulen dürfen „nicht zu nahe an den Kirchen sondern wenigstens vier Häuser und die Synagoge noch weiter davon“ stehen. Dennoch wurden in den hiesigen Landbezirken jüdische G’tteshäuser auffällig oft in unmittelbarer Nähe der Kirchen erbaut. So in Polch, in Münstermaifeld unweit des Eifeldomes und in Saffig Am Klöppelsberg unterhalb der barocken Balthasar-Neumann-Kirche. Allerdings besteht die Einschränkung, dass diese Bethäuser zur Zeit der Preußischen Rheinprovinz in der Mitte des 19.Jahrhdt erbaut wurden, als schon lange die kurtrierische Verordnung außer Kraft gesetzt worden war.

Außenansicht der Synagoge in Münstermaifeld

Das Gros der in dieser Zeit im heutigen Rheinland-Pfalz erbauten Kleinstadt– und Dorfsynagogen stellt einen ein- oder zweigeschossigen rechteckigen Saalbau dar, überspannt von einer Flach- oder Voutendecke. Als Dachkonstruktion schließt ein Walm- oder Satteldach ab. Man findet den Eingang in das Bethaus ausnahmslos auf der Westseite. Über dem Vorraum war häufig die Frauenempore aufgebaut, die man mittels eines eigenen getrennten Treppenaufgangs von außen erreichte. So ist es heute noch an der kürzlich wiedererstellten Synagoge von Ediger-Eller zu sehen.

Der schon erwähnte Hannoveraner Architekt Oppler stellte für den Bau von Synagogen Grundsätze auf, um diese von christlichen Kirchen zu unterscheiden: z.B. die Orientierung der Gebetsrichtung nach Osten – Jerusalem - dem Ritus entsprechend und eine repräsentative Vorhalle als Schmuck der Westfassade. Bei ländlichen Synagogen ist dieser Schmuck in das Mauerwerk der Westfassade integriert. Zudem die Vermeidung eines kreuzförmigen Grundrisses; die Anbringen einer „Oberlicht Anlage“ oder hoch gebaute Fenster nach biblischer und talmudischer Vorgabe. Als beeindruckendstes Merkmal schwebte Oppler aber eine gewaltige zentrale Kuppel nach dem Vorbild byzantinischer Kirchen vor. Auch die Gestaltung des Innenraums, besonders der „Allerheiligsten-Anlage“, wie er sich ausdrückt, lag ihm am Herzen. Hier solle “das Höchste in monumentaler Behandlung geleistet werden.“ Die Frauenempore großer Synagogen wird von ihm „amphitheatralisch“ als eine höher gelegene Anlage an der Nord-West- und Südwand umlaufend gestaltet, damit auch Frauen einen freien Blick auf den Prediger, Kantor oder Rabbiner haben. Männer gelangen ebenerdig in ihren Betsaal, aber dessen Fußboden ist um einige Stufen tiefer gelegt gemäß dem Wort des 130. Psalms „Aus der Tiefe rufe ich zu Dir“.

Das Innere der Synagoge in Münstermaifeld

In den ländlichen Synagogen der Eifel, an Mosel und Rhein, findet sich in der Ostwand eine Mauernische ausgespart, in die ein oft mit bunten rustikalen Ornamenten bemalter hölzerner Toraschrein eingelassen wurde, so noch zu sehen in der Beilsteiner Synagoge. Die Anordnung des Betpultes, der Bima, wurde in der Regel durch der religiöse Ausrichtung der Gemeinde bestimmt. Orthodoxe Gemeinschaften bevorzugten die zentrale Aufstellung des erhöhten Pultes in der Mitte des Raumes, während Reformgemeinden nach dem Vorbild protestantischer Kirchen die Bima unmittelbar vor den Heiligen Schrein vor die Ostwand platzierten. In beiden Fällen muss die Bima aber mehrere Stufen erhöht stehen, um den „Aufstieg“ zur Tora - die Alia - zu symbolisieren.

Alle Synagogen unserer Region waren Steinbauten aus heimischen Steinen. Dies im Gegensatz zu den Holzsynagogen in Osteuropa und den in Hessen und im Elsass verbreiteten Fachwerkbauten. Hier in der Eifel, wo Tuffstein und Basalt abgebaut werden, setzte man dieses Baumaterial gezielt ein. Optisch reizvoll ist der Wechsel von Tuffstein zu schwarzer Krotzenlava, der z.B. in Saffig noch durch rote Ziegel im Bereich der Fensterbögen bereichert wird.

Die Exkursionsgruppe unter der Leitung von Dr. Ries vor der Synagoge in Münstermaifeld

Die moselfränkischen Synagogen weisen als äußeren Baudekor oft zwei rahmende Säulen, an die Tempelsäulen Jachin und Boaz erinnernd, auf. Zwei Gesetzestafeln, meist aus rotem Sandstein, überragten den Giebel der Westfassade; eine oder zwei Rosetten an West – und Ostfassade trugen bunte Glasfenster und ließen darin den Davidsstern erkennen. Seltener fand man in die Fassade, als Relief eingelassen, die beiden judäischen Löwen. Eine Eigenart ebenfalls unserer rheinischen Gegend stellte die Distel dar. Das war eine lange Eisenstange, an deren Spitze sich ein morgensternartiger Strahlenkranz befand. Die Distel zierte anstelle oder zusammen mit den Gesetzestafeln den Westgiebel des Bethauses, um dieses als höchstes Gebäude des Ortes gemäß talmudischer Bestimmung erscheinen zu lassen. Außerdem durfte eine Synagoge niemals höher sein als der benachbarte Kirchturm. Schließlich besaßen viele Synagogen in der Nähe des Ein- und Ausganges einen Hochzeitsstein, an dem der frisch gebackene Bräutigam nach der Chuppa traditionell ein Weinglas zum Zeichen der Trauer über den zerstörten Jerusalemer Tempel zertrat. Natürlich findet sich am rechten Türpfosten des Eingangportals die Mesusa mit den Worten des Schema Israel aus dem Deuteronomium wie an jedem jüdischen Haus.

Es gab bereits an mittelalterlichen Synagogen Bau –und Weiheinschriften, so der erhaltene Baustein der Wormser Synagoge mit der Inschrift des Stifterehepaares von 1034. An unseren Synagogen finden wir in die Westfassade eingelassene Granit- oder Basaltkartuschen, in die Bibelzitate eingraviert sind, in Saffig in Deutsch und Hebräisch. Der Türsturz über dem Westportal repräsentiert den berühmten „Eckstein“ des Psalmendichters. Anstelle von Bibelzitaten ist oft das Jahresdatum der Erbauung zu lesen z.B. zweisprachig 1858 – *618 nach der kleinen hebräischen Zeitrechnung. Oft liest man hier auch nur „Beth Elohim – G’tteshaus“, aber in den meisten Fällen werden Psalmen zitiert:

Synagoge Saffig: Dr. Ries erklärt die Inneneinrichtung

In Saffig Ps 118,20 „das ist das Tor des Herrn, die Gerechten ziehen dort ein.“, in Kirchheim Ps 100,4 „Gehet zu Seinen Toren ein mit Danken!“ oder Ps 84,2 „Wie schön sind Deine Zelte Ja’akow!“; in Schweich Ps 118,26 „Gelobt sei, der kommt im Namen des Herrn!“ oder Ps 93,5 „Deinem Haus ,Haschem, gebührt Heiligkeit für die Länge der Tage.“ In Polch finden wir eine Jahreszahl „56(3)7“ entsprechend dem bürgerlichen Jahr 1877 sowie eine Inschrift aus Psalm 95,6 „Kommt, lasst uns anbeten, knien und niederfallen vor dem Herrn unserem Schöpfer!“ Dieselbe Inschrift findet sich auch über dem Westportal der Synagoge in Münstermaifeld zusammen mit der Jahreszahl der Erbauung in hebräischen Lettern. In Niedermendig las man Worte des Propheten Jesaja :„Denn mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle Völker!“ und schließlich in Ediger-Eller den Beginn des 23.Psalms „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!“

Noch im 19.Jahrhundert sind die Namen der meisten Architekten, die Synagogen erbaut haben, unbekannt. Generell kann aber davon ausgegangen werden, dass sie in überwiegender Zahl Christen waren, die sich um eine „deutsch-jüdische Symbiose“ bemühten.

1910 baut Johannes Vienken den stattlichen neuromanischen Bau in Wittlich. Der Koblenzer Stadtbaumeister Hermann Antonius Nebel baut 1834/35 die Vallendarer Synagoge. Er ist Schüler von Lassaulx, dem Preußischen Baumeister, der das Regierungsgebäude der Rheinprovinz am Koblenzer Rheinufer und in der Stadt vieles andere mehr gebaut hat. Auf Nebels Pläne zumindest gehen auch die Bauten unserer drei Synagogen in Polch, Münstermaifeld und Saffig und die der ehemaligen, heute verschwundenen Synagoge von Niedermendig zurück.

Innenansicht der Synagoge Saffig

Abschließend soll noch eines großen Architekten gedacht werden: Friedrich von Gärtner (1791-1847). Mit vielen Bauten prägt der gebürtige Koblenzer bis heute das Stadtbild seiner Wahlheimat München. Er selbst und sein Schüler August von Voit (1801-1870) erbauten vor allem in der Pfalz, die damals zum Königreich Bayern gehörte, zahlreiche Synagogen, so in Speyer, Ingelheim, Landau und Kaiserslautern im neoislamischen Mujedarstil. Ihre sämtlichen Bauwerke wurden in der Reichspogromnacht verbrannt und in der Folgezeit dem Erdboden gleichgemacht.

Es hätte wohl damals niemand voraus zu denken gewagt, was am 9. und 10. November des nächsten Jahrhunderts, im Jahre1938, geschehen sollte. An diesem Tage verflüchtigten sich 150 Jahre mühsam erkämpfter bürgerlich-rechtlicher Gleichstellung im Rauch der brennenden jüdischen G’tteshäuser und mit ihnen die oft unerwiderte Liebe der jüdischen Deutschen zu ihrem Land. Seither fehlen bis heute die Synagogen im Stadtbild der meisten deutschen Ortschaften ob groß oder klein.“

 

Exkursion zur Gedenkstätte Hadamar

Eingang zur Gedenkstätte Hadamar
Abb. 1: Eingang zur Gedenkstätte

A

Der Deutsch-Israelische Freundeskreis Neuwied unternahm im Februar 2013 eine Exkursion zu der Tötungsanstalt Hadamar, an der sowohl Erwachsene als auch eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Leistungskurse Geschichte der Jahrgangsstufe 12 des Rhein-Wied-Gymnasiums teilnahmen. Auf der Hinfahrt erläuterte Dr. Jürgen Ries, Leiter der Jüdischen Gemeinde Neuwied-Mittelrhein, die Verstrickungen der Ärzteschaft in die Rassenhygiene und Euthanasie auch bereits vor dem Nationalsozialismus. Zudem referierte Dr. Ries über seine Recherchen zu Ludwig Otto Brück. Dieser war das einzige zudem jüdische Opfer der Saffiger Krankenanstalt, das über die Heil– und Pflegeanstalt Andernach nach Hadamar deportiert und dort getötet wurde. Vortrag von Herrn Dr. Ries lesen
Dr. Lilienthal empfängt die Besucher
Abb. 2: Dr. Lilienthal instruiert die Besucher

In Hadamar wurden die Erwachsenen vom Leiter der Gedenkstätte, Dr. Georg Lilienthal, geführt. Die Jugendlichen wurden von Thomas Wieder betreut. In den Ausstellungsräumen der Gedenkstätte werden zahlreiche Einzelschicksale ebenso wie die Verstrickungen von Juristen, Ärzten und ihren Institutionen ausführlich und anschaulich dokumentiert. Auch die Vernichtungspolitik des Naziregimes wird verdeutlicht. Waren diese Dokumente schon höchst eindrucksvoll und schwer zu ertragen, so führten die Leidensorte der Opfer insbesondere in den original erhaltenen Kellerräumen den beiden Gruppen das ungeheuerliche und unmenschliche Geschehen in schrecklicher Weise vor Augen.

Hadamar war ausschließlich Tötungsanstalt, eine von sechs Mordanstalten, in denen insgesamt mehr als 70.000 Menschen durch Gas ermordet wurden. In den 6 Tötungsanstalten wurden die späteren Mordmethoden der KZs getestet und perfektioniert. Die Opfer wurden nach Aktenlage auf der Grundlage von Meldebögen in Berlin, Tiergartenstraße (T4-Aktion) von ca. 40 Ärzten selektiert und mit Zügen in sogenannte „Zwischenlager“ in Hessen, Rheinland-Pfalz (u.a. auch in die Landesnervenklinik Andernach), Baden-Württemberg und Bayern verbracht. Diese Lager dienten der Verschleierung der Verlegungswege und zur zahlenmäßigen „Regulierung“ der Transporte. Waren die Menschen erst einmal durch Gesundheitsämter erfasst, waren sie praktisch verloren. Ärzte vor Ort hatten nur einen geringen Einfluss und erreichten meist lediglich eine erneute Prüfung in Berlin.

In den „Zwischenlagern“ wurden die Opfer in grauen, verhangenen Bussen abgeholt und nach Hadamar gebracht. Noch heute ist die wieder errichtete originale Busgarage zu sehen, von der aus die Patienten durch einen überdachten Gang in das Gebäude geführt wurden. Zunächst mussten sie sich nackt ausziehen sowie Schmuck und Wertsachen abliefern. Danach wurde ihre Identität festgestellt und mit einem Stempel auf den Arm und in der Akte festgehalten. Im Arztzimmer wurde bestimmt, welche Todesursache den Verwandten später in Übereinstimmung mit der Krankenakte mitgeteilt werden sollte. Anschließend wurden sie im Fotoraum fotografiert.

Seziertisch
Abb. 3 Seziertisch
Gaskammer
Abb. 4: Gaskammer
Schrifttafel zur Konstruktion des Krematoriumofens
Abb. 5: Eine Schrifttafel erläutert die technische Konstruktion des Krematoriumofens

Gruppenweise wurden die Menschen in die Gaskammer im Keller geführt und in Gruppen von 50-60 Personen vergast. Besonders beunruhigte und verängstigte Opfer waren mit einer Spritze – wahrscheinlich Morphium – ruhig gestellt worden. Im angrenzenden „Sektionsraum“ wurden den Leichen die Gehirne entnommen. Sie wurden dann über den „Schleifgang“ zu den beiden Krematoriumsöfen gezogen und verbrannt. Es müssen wohl zwischen 100 und 120 Leichen in 24 Stunden, also um 400 bis 600 Leichen pro Woche, verbrannt worden sein. Der Verbleib der Asche ist noch nicht völlig geklärt. Auf jeden Fall fuhren ständig die grauen Busse durch Hadamar und die Schornsteine rauchten fast täglich. Die Bewohner müssen zwar Bescheid gewusst haben, durften aber nicht darüber reden. Verstöße wurden mit dem KZ geahndet.

 
Der Schleifgang
Abb. 6: Blick durch den „Schleifgang“ auf die Stelle des Krematoriumofens
Blick in Richtung des früheren Krematoriumofens
Abb. 7: Blick in Richtung auf die Stelle des früheren Krematoriumofens

1941 wurde das Morden durch Gas eingestellt. Graf Galen, Bischof von Münster, hatte alles publik gemacht. Zudem wurden die Auswirkungen des Krieges in Bombardierungen und Rationierungen immer spürbarer und Erfolgsmeldungen aus dem Russlandfeldzug blieben aus, so dass das Regime ein Wegkippen der „Heimatfront“ befürchtete.

Dies bedeutete jedoch nicht das Ende des Schreckens und der Unmenschlichkeit in Hadamar. Ab 1942 wurden Menschen durch Spritzen, Medikamente und systematisches Verhungernlassen ermordet.

Auf Anfrage führte Dr. Lilienthal aus, dass die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ in den Universitäten, in den ärztlichen Verbänden und weiten Teilen der Öffentlichkeit Gemeingut war. Die Angestellten wurden nach Hadamar abgeordnet und zum Schweigen verpflichtet; sie erhielten höhere Gehälter und waren vom Frontdienst befreit. Wer nicht in den ersten 2-3 Monaten den Absprung schaffte, hatte kaum mehr Chancen, diesen Ort zu verlassen.


Weitere Informationen über die Gedenkstätte Hadamar:

www.gedenkstaette-hadamar.de

wikipedia.org/wiki/Gedenkstaette_Hadamar

Rede von Prof. Dr. Dr. Frank Schneider, Aachen zum Gedenkveranstaltung 2010 in Berlin: "Psychiatrie im Nationalsozialismus - Erinnerung und Verantwortung"

Gegen Vergessen - Für Demokratie, Juli 2011
(Bericht über die Gedenkstätte Hadamar)

Artikel von Dirk Eberz aus: Rhein-Zeitung Neuwied: Zeitgeschehen Journal vom 3.12.2013 "Von der Heilanstalt zur Mordfabrik"

Fotos:

Abb. 4: Frank Winkelmann (CC BY 3.0)

Abb. 1,2,3,5-7: privat

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