Aus dem Vereinsgeschehen im Jahr:

Zu Besuch in Drom-Hasharon - Ein Reisebericht

Reise nach Drom Hasharon im März 2019

Bericht von Pfarrer Werner Zupp und Prof. Josef Freise

Drom Hasharon ist eine Regionalverwaltung nordöstlich von Tel Aviv in der Sharon-Ebene. Dort leben ca. 25.000 Einwohner in sieben Kibbuzim, 19 Moshawim (Dörfern), in drei Gemeinschaftssiedlungen und zwei kommunalen Ortschaften. Drom Hasharon kann als ein Kreis gesehen werden, ohne dass es aber eine Kreisstadt gibt. Seit über 30 Jahren ist Drom Hasharon Partnerdistrikt von Neuwied. Diese Partnerschaft wurde zuletzt sehr intensiv vom verstorbenen Neuwieder Oberbürgermeister Nikolaus Roth und dem in diesem Jahr pensionierten Landrat von Drom Hasharon Morti Delgo gefördert.

Unsere kleine Gruppe machte quasi einen Antrittsbesuch seitens des Deutsch-Israelischen Freundeskreises Neuwied und der Lokalen Agenda bei der neugewählten Landrätin aus Drom Hasharon, Oshrat Goni Gonem. Bei ihr waren wir zu einem Abendessen eingeladen.

Zuerst besuchten wir die Ami Asaaf Schule, die über die Jahrzehnte hin einen regelmäßigen Austausch mit der Neuwieder IGS Johanna Loewenherz (früher Maximilian zu Wied – Realschule) pflegt. Wir trafen eine Delegation der Schülerinnen und Schülern, die im vergangenen Jahr in Neuwied waren und derer, die im April 2019 jetzt nach Neuwied gehen.

Es war ein herzlicher Austausch, bei dem deutlich wurde, wie sehr junge Menschen von diesen gegenseitigen Besuchen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und in ihrem politischen Bewusstsein profitieren. An der Ami Asaaf-Schule gibt es zwar arabische Lehrpersonen, aber keine arabischen Schüler*innen. Das Schulsystem ist nach jüdisch-israelischer und arabisch-israelischer Herkunft streng getrennt; es gibt nur wenige gemischt ethnische Schulen wie beispielsweise in dem Begegnungsdorf Neve Shalom.

Zu Besuch in der Ami-Assaf-Schule

Nach dem Schulbesuch wurden wir zu dem Haus gefahren, das zwei Tage zuvor von einer Hamas-Rakete zerstört worden war. Es gab mehrere Verletzte, aber Gott sei Dank keine keinen Todesfall. Ein aus einer deutschen Familie stammender Israeli erläuterte uns aus seiner Sicht die politischen Hintergründe und zeigte uns eine Karte mit einem rot straffierten Israel und den vielen grün straffierten muslimischen Ländern um Israel herum, die Israel bedrohen. Es entspann sich eine politische Diskussion zwischen zwei Israelis zu dieser Darstellung, die deutlich machte, wie gerade auch vor der Wahl in Israel um politische Einstellungen gerungen wird.

Eine Rundfahrt führte uns dann zu einem Kibbuz. Die Kibbuzim haben sich in Israel über die Jahrzehnte verändert und bilden inzwischen nur noch für eine kleine Minderheit eine attraktive Lebensform. Die Kibbuz-Mitglieder sind verantwortlich für den Straßenbau innerhalb ihres Kibbuz und für die gesamte Infrastruktur auf dem Gelände des Kibbuz. Sie zahlen dafür Abgaben neben den Steuern, die für den Staat bestimmt sind.

Wir fuhren dann entlang der Grenze zum Westjordanland. Eine große Anzahl von Palästinenserinnen und Palästinensern aus dem Westjordanland geht jeden Tag über die Checkpoints nach Israel ein, um dort zu arbeiten. „Ohne Arbeit für sie gibt es Probleme mit ihnen“, kommentiert ein Israeli. Später erläutert jemand, dass diese Einreise und diese Arbeitsmöglichkeit sicher gut seien, aber die regelmäßige Kontrolle am Checkpoint sei für die Palästinenser*innen doch demütigend und würde den Hass weiter stärken.

Besichtigung einer Biofarm
Zu Gast bei Uri und Sarah Atzmon

Wir besuchen eine Biofarm, die Agrotourismus fördert. Die Idee dieser Farm ist es, dass Menschen ein kleines Stückchen Land auf dieser Farm selbstständig bearbeiten und dann auch die Früchte dieser Arbeit mit nach Hause nehmen können. Hier wird das Thema der Bewässerung noch einmal angesprochen. Die Kompostierung soll die Mikroorganismen im Boden fördern. Mit der Methode der "seuilarization" wird der Boden der Sonnenhitze ausgesetzt. Dadurch werden die guten Mikroorganismen gestärkt und der Boden bekommt eine kräftigere Struktur.

Wir sind zu Gast bei Uri und Sarah Atzmon, die über die Jahrzehnte den Kontakt nach Neuwied gehalten haben. Sarah Atzmon ist Künstlerin und hat als Holocaust-Überlebende ihre Erfahrungen künstlerisch verarbeitet. Sarah überlebte den Holocaust, weil ihr Waggon nicht nach Auschwitz, sondern auf Eichmanns Befehl in dessen Heimat nach Österreich fuhr. Dort benötigten Eichmanns Freunde Arbeitskräfte. Als Sarah zwölfjährig von den Amerikanern befreit wurde, wog sie 17 kg.

Die Geschichte der Shoa ist in Israel nach wie vor allgegenwärtig. Umso wichtiger wird die Forderung des palästinensischen Pädagogen Dr. Sami Adwan, dass der Holocaust auch als Thema im Geschichtsunterricht der palästinensischen Schulen einen zentralen Platz bekommen muss.

Auf der anderen Seite wissen Israelis wenig über die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung 1948 aus ihren Gebieten. Wir machten auf der Reise durch Israel und Palästina immer wieder die Erfahrung, dass das je eigene Leid erinnert wird, das Leid der anderen Seite aber nicht gekannt oder ausgespart wird. Der pädagogische Ansatz des verstorbenen Israeli Dan Bar-On und seines Nachfolgers Eyal Naveh und des Palästinensers Sami Adwan sieht demgegenüber vor, gemeinsam sich der Geschichte beider Seiten in dem einen Land Israel und Palästina zu erinnern. Dies benennen sie mit dem Ansatz der „Dual History“ oder des „Listening to each other‘s Story“.


Bericht: Pfarrer Werner Zupp, Prof. Josef Freise
Fotos: privat

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